pferdegestützte psychotherapie (ppt) mit Patient*innen mit Anorexia nervosa (AN)

Dr. Dagmar Nuding (2023)

Pferdegestützte Psychotherapie ist eine noch junge Disziplin innerhalb der Pferdegestützten Interventionen und darf in Deutschland nur von approbierten Psychotherapeut*innen oder Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut*innen durchgeführt werden.

Pferdegestützte Psychotherapie wird definiert als die Einbeziehung des Pferdes als Medium, Begleittier oder Co-Therapeut*in in Richtlinienverfahren. Dabei setzt sie an dem Menschenbild und der Störungslehre des jeweiligen Psychotherapieverfahrens der durchführenden Therapeuten*in an, das Pferd wird dabei in die Anwendung der verfahrensspezifischen Methoden integriert (Gomolla, 2019).

Wichtiger Hinweis

Gemäß der Definition des Wissenschaftlichen Beirats Psychotherapie, stellt die Pferdegestützte Psychotherapie kein eigenständiges Psychotherapieverfahren mit eigener Theoriebildung und darauf basierender Behandlungsmethoden dar.

Wie wird das pferd im therapeutischen setting eingesetzt?

Der Aufforderungs-charakter, die Kooperationsbereitschaft, die physische Größe, das hochsensibles Wahrnehmungssystem, der Fluchtinstinkt und die Spiegelfunktion sind therapierelevante Eigenschaften von Pferden, welche sich im Einsatz eignen zur/zum:

(a) Unterstützung der Diagnostikphase und des explorativen Arbeitens

(b) Unterstützung des Beziehungsaufbaus und der Kommunikation

(c) Erkennen, Benennen und Stillen von Bedürfnissen

(d) Training und zur Konfrontation.

Eine weitere Möglichkeit ist es das Therapiebegleitpferd als Biofeedbackgeber für Entspannung zu nutzen.

Otterstedt (2007) unterscheidet fünf Methoden nach denen Therapiebegleitpferde integriert werden können: die Methode der freien Begegnung, der Hort-Methode, der Brücken-, der Präsenz- und der Integrationsmethode.

a)      Nachnährender Köperkontakt: Für Patient*innen ist es beispielsweise möglich mit dem Tier in Körperkontakt zu gehen und körperliche Nähe zu erleben, dies bietet die Möglichkeit das Bedürfnis nach Trost, Zärtlichkeit und Beruhigung stillen und im therapeutischen Setting mit dem Pferd einen nachnährenden Körperkontakt zu erleben

b)      Nachbeelterung: Im Sinne der Nachbeelterung kann das Pferd unterstützende Erfahrungen für die Nachreifung der Patient*innen bieten.

c)      Bilaterale Stimulation: Patient*innen können sich tragen lassen und sich in der Schrittbewegung schaukeln lassen, diese Schaukelbewegung bewirkt Lockerung und Beruhigung und es findet auf natürliche Weise eine bilaterale Stimulation statt.

d)      Aufbau von Selbstvertrauen: sich vom Pferd tragen zu lassen und die dafür notwendige Aufrichtung schafft gemäß der Embodiment-Theorie (Tschacher & Storch, 2010) Selbstvertrauen.

e)      Senso-motorische Impulse: die durch das Reiten und die Pferde geschaffenen starken senso-motorischen Impulse können in der Psychotherapie thematisiert werden.

f)       Experiencing: Der Einsatz des Pferdes macht Emotionen erlebbar und bietet damit die Möglichkeit sich auf diese während der Therapiekontakte zu fokussieren.

g)      Bindung und Beziehung: im Laufe des Therapieprozesses entsteht eine Bindung zu den Pferden

h)      Pferde als „Krafttiere“: diese Erfahrungen können mit nach Hause genommen werden und deren Präsenz bei Bedarf imaginiert werden.

i)       Selbstwirksamkeitserfahrungen: im Umgang mit dem Pferd können Selbstwirksamkeitserfahrungen gemacht werden (Gomolla, 2019).

j)       Projektionen: durch die Anthropomorphisierung projizieren Patient*innen Gedanken und Gefühle auf die Pferde, diese lassen sich therapeutisch nutzen.

anorexia nervosa - eine kurzdefinition

Anorexie bedeutet übersetzt etwa „nervös bedingte Appetitlosigkeit“ und wird von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) unter den vier wichtigsten psychiatrischen Krankheiten des Kindes- und Jugendalters mit lebenslangen Konsequenzen geführt (WHO, 2005).

Unter den psychischen Störungen hat die Anorexia nervosa mit 5,6% pro Dekade die höchste Mortalitätsrate, das Risiko für Suizidalität ist bei Patientinnen mit AN 57-fach erhöht.

Die Anorexie ist unter Jugendlichen die dritthäufigste Ursache chronischer Erkrankungen.

Aktuell geht man bei AN von einer multifaktoriell bedingten Erkrankung aus, die möglicherweise auf einer Stoffwechselveränderung beruht, die erblich beeinflusst ist (Bulik, C. M. et al., 2019).

Des Weiteren weisen eine Reihe von Studien auf eine recht hohe Prävalenz an Traumata in der Kindheit, in Form emotionalen Missbrauchs und Vernachlässigung oder auch sexuellen Missbrauchs hin (Kennedy et al., 2007; Kent & Waller, 2000; Kent et al., 1999; Leung et al., 2000; Vajda & Lang, 2014; Kong & Bernstein, 2008; Brewerton, 2007; Ford et al., 2010).

§    6B80.0 Anorexia Nervosa mit signifikant erniedrigtem Köpergewicht (alle Kriterien der Anorexia Nervosa sind erfüllt, bei Erwachsenen BMI zwischen 14 und 18,5, bei Kindern und Jugendlichen zwischen den Perzentilen 0,3 und 5)

§    6B80.00 AN mit signifikant erniedrigtem Körpergewicht und restriktivem Verhaltensmuster (Gewichtsabnahme allein durch Fasten oder eingeschränkte Nahrungsaufnahme und erhöhtem Energieverbrauch; keine Essanfälle oder Purging)

§    6B80.01 AN mit signifikant erniedrigtem Körpergewicht und Binge-Purging-Verhaltensmuster (Zeigen Binge-Eating oder Purging-Verhalten (Abführverhalten); auch Betroffene mit Essanfällen oder Abführen zählen hierzu)

§    6B80.0Z AN mit signifikant erniedrigtem Körpergewicht, n.n.b

§    6B80.1 AN mit kritisch erniedrigtem Körpergewicht (alle Kriterien der Anorexia Nervosa sind erfüllt, bei Erwachsenen BMI unter 14,0, bei Kindern/Jugendlichen unter 0,3-Perzentile, hohes Risiko für körperliche Komplikationen und erhöhte Sterblichkeit)

§    6B80.10 AN mit kritisch erniedrigtem Körpergewicht und restriktivem Verhaltensmuster (Gewichtsabnahme allein durch Fasten oder eingeschränkte Nahrungsaufnahme und erhöhtem Energieverbrauch; keine Essanfälle oder Purging)

§    6B80.11 AN mit kritisch erniedrigtem Körpergewicht und Binge-Purging-Verhaltensmuster (Zeigen Binge-Eating oder Purging-Verhalten (Abführverhalten); auch Betroffene mit Essanfällen ohne Abführen zählen hierzu)

§    6B80.1Z AN mit signifikant erniedrigtem Körpergewicht, n.n.b.

§    6B80.2 AN in Remission mit normalem Körpergewicht (Betroffene mit Körpergewicht über BMI > 18,5 (Erwachsene) bzw. 5 BMI-Perzentile (Kinder/Jugendliche) in Remission; Diagnose soll mind. 1 Jahr nach Therapieende beibehalten werden)

Zu Beginn der Erkrankung besteht in der Regel kein Krankheitsgefühl und keine Krankheitseinsicht. Der Gewichtsverlust wird als ich-synton empfunden. Die Betroffenen sind stolz, die Kontrolle über ihr Essverhalten zu halten.

Betroffene mit AN stehen einer Behandlung häufig ablehnend oder ambivalent gegenüber und reagieren auf Konfrontation mit Abwehr oder Bagatellisierung des Problems.

Mit Fortschreiten der Gewichtsabnahme und Auftreten körperlicher Komplikationen nimmt die Krankheitseinsicht in der Regel zu.

Häufig unterliegen die Patientinnen einer verzerrten Wahrnehmung ihres Körpers, dessen Umfang sie in der Regel überschätzen (Körperschemastörung), die Körperform gewinnt einen übermäßigen Einfluss auf das Selbstwertgefühl.

Sie entwickeln strenge Essensregeln und -rituale darüber, wann, was und wie viel sie essen dürfen. Es werden hochkalorische Speisen, Mahlzeitenbestandteile oder ganze Mahlzeiten ausgelassen und Nahrungsmittel gekaut und ausgespuckt.

Die Patientinnen entwickeln Essensrituale, die den Charakter einer Zwangssymptomatik annehmen können.

Es werden besonders jene Nahrungsmittel vermieden, die Fett und Zucker beinhalten, bis hin zu Monodiäten und einer Nahrungseinschränkung auf 100 bis 200 Kalorien am Tag.

Das Gewicht wird ständig überprüft durch häufiges Wiegen, Messen von Körperumfängen, Ertasten von hervorstehenden Knochen oder Überprüfen der Dicke von Hautfalten. Alternativ wird die Beschäftigung mit dem Gewicht vermieden.

Die Einschränkung der Kalorienzufuhr führt zur ständigen Beschäftigung mit Nahrung, Kochen für andere, in manchen Fällen zum Horten von Nahrungsmitteln. Patientinnen mit restriktiver AN können die Kontrolle aufrechterhalten, während Patientinnen, denen es nicht gelingt die Kontrolle aufrechtzuerhalten, versuchen der drohenden Gewichtszunahme mit unangemessenen kompensatorischen Maßnahmen entgegenzuwirken.

Dazu gehören vor allem selbst herbeigeführtes Erbrechen, der Missbrauch von Laxanzien und Diuretika, strenges Fasten und übermäßiges Sporttreiben.

Anorektische Patientinnen zeichnen sich häufig durch zwanghafte und perfektionistische Persönlichkeitszüge aus. Sie sind erfolgsorientiert und äußerst kritisch sich selbst gegenüber. Häufig kommt es zu einer Einschränkung der emotionalen Ausdrucksfähigkeit, gefolgt von Kontaktstörungen und sozialer Isoliertheit.

Als prognostisch ungünstig gelten: höheres Alter bei Erkrankungsbeginn, lange Krankheitsdauer vor Behandlungsbeginn, extremer Gewichtsverlust, gleichzeitiges Bestehen bulimischer Symptome, prämorbides Übergewicht, stark gestörte Familienbeziehungen, fehlgeschlagene Vorbehandlungen, hohes Ausmaß an psychischen und sozialen Symptomen bei Beginn der Behandlung und ein niedriges Gewicht sowie eine geringe Gewichtszunahme während der initialen Behandlungsphase und eine schlechte prämorbide soziale Anpassung (Kawautz et al., 2014).

wie wird in der therapie bei Anorexia Nervosa vorgegangen?

Psychotherapie gilt gemäß der aktuellen S-3 Leitlinien als Behandlungsverfahren der ersten Wahl bei AN. (https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/051-026)

Für die Behandlung der AN ergibt sich ein Vorgehen, das sich auf den folgenden vier Säulen stützt:

(1)       Information, Ernährungstherapie und Gewichtszunahme

(2)       Psychotherapeutische Behandlung

(3)       Einbeziehung der Familie

(4)       Behandlung weiterer Achse-I-Symptome

Abhängig vom Ausgangsgewicht und anderen Faktoren kann eine stationäre Behandlung erforderlich werden. Diese Notwendigkeit besteht bei:

Rapide oder anhaltendem Gewichtsverlust, einem gravierenden Untergewicht (<BMI 15kg/m², <3. Perzentile Kinder und Jugendliche), körperlicher Gefährdung oder Komplikationen, ambulanter Behandlung über mehr als drei Monate ohne Gewichtszunahme, exzessivem Bewegungsdrang, ausgeprägter bulimischer Symptomatik, ausgeprägter psychischer Komorbidität und Suizidalität, ausgeprägten familiären Konflikten, sozialer Isolation oder unzureichender Unterstützung.

pferdegestützte interventionen bei AN wissenschaftlich untersucht

Trotz der zunehmenden Anwendung und Integration der Pferdegestützten Interventionen in psychotherapeutische Prozesse gibt es derzeit keine zusammenfassende Übersicht über Pferdegestützte Interventionen speziell für Anorexie.

Fenning et al. (2022) publizierten ein systematisches Review veröffentlichter Fallstudien und qualitativer und quantitativer Primärstudien (bis September 2021) zum Nachweis der Wirksamkeit von Tiergestützten Interventionen bei Essstörungen.

Als Inklusionskriterien definierten die Autoren Primärstudien, in denen Tiere im therapeutischen Setting mit Patient*innen mit Essstörungssymptomatik eingesetzt wurden. Bei ihrer elektronisch durchgeführten Suche konnten sie neun Studien (Tabelle 1) identifizieren bei denen Therapiebegleitpferde eingesetzt wurden (Cumella et al., 2014; De Zutti, 2013; Helm, 2009; Kingston, 2008; Lac, 2017; Lutter, 2008; Sharpe, 2013; Traeen et al., 2012).

Tab. 1., Charakteristik der Studien

Autor, Jahr

 

Design

Population

Population Statistik

Alter

Stichproben-größe

Behandlungsbedingung oder qualitative Methode

Cumella et al., 2014

Unkontrollierte Behandlungsstudie mit unterschiedlicher Behandlungsdosis

Stationäre Erwachsene Patientinnen mit AN, BN und ohne ED

72 weilblich, 33% BN, 32% AN, 35% ohne ED; 92% weiß je 1 afrikanisch, asiatisch, native American, 3 mehrrassig

18-49 (M = 26, SD = 7.5)

72

Normale Behandlung mit unterschiedlichen Anteilen Pferdegestützter Psychotherapie

DeZutti, 2013

Fallstudien

Stationäre weibliche jugendliche und erwachsene Patientinnen

7 weibliche Jugendliche und Erwachsene

Keine Angabe

7

Pferdegestützte Psychotherapie

Helm, 2009

Fallstudien

Erwachsene Frauen mit AN und BN

3 weiblich

25, 27 und 40

3

Pferdegestützte Psychotherapie

Kingston, 2008

Qualitative Studie

Therapeut*innen die Pferdegestützte Psychotherapie mit Essgestörten Patient*innen anwenden

7 weiblich, 3 männlich

Keine Angabe

10 Therapeut*innen

Strukturiertes Interview, Auswertung mittels thematischer Analyse

Lac, 2017

Fallstudie

16-jährige frisch entlassene Patientin

1 weiblich

16

1

Pferdegestützte Psychotherapie

Lutter, 2008

Retrospective Darstellung

Stationäre Patientinnen

72 weiblich

18-50 (M=26, SB 7.5)

72

Pferdegestützte Psychotherapie pre-post Vergleich

Sharpe, 2013

Qualitative

Erwachsene Frauen mit AN, BN und OSDEF

12 weiblich

19-49

12

Pferdegestützte Beratung in der Gruppe, Auswertung mittels hermeneutischer Phenomenologie

Traeen et al., 2012

Qualitative

Therapeut*innen die gruppenbasiert pferdegestützte Therapie bei Essstörungen anwenden

5 weiblich mit 2-5 Jahren klinischer Erfahrung in der Behandlung von Essstörungen

37-44

6 Therapeut*innen

Semistrukturiert, Auswertung mittels qualitativer Inhaltsanalyse

quantitative Ergebnisse

Alle Studien, die quantitative Ergebnisse analysierten fanden positive Effekte der Pferdegestützten Psychotherapie. Cumella et al. (2014) fanden einen signifikanten Zusammenhang zwischen der Länge der Teilnahme an Pferdegestützter Psychotherapie und der Reduktion von Symptomen gemessen mit dem EDI-2, BDI-II und BAI.

Lutter (2008) fanden, dass durch die Zunahme der physischen Aktivität und des Energiebedarfs in der Pferdegestützten Psychotherapie positiv mit der Zunahme der Change Scores des EDI-2 korrelierten.

qualitative Ergebnisse

Studien zur Wahrnehmung der Therapeut*innen

Die in der Studie von Kingston (2008) interviewten Therapeut*innen berichteten Effekte bezogen auf die Zunahme der Therapiemotivation durch die Reduktion der Veränderungsresistenz und Zunahme des Selbstbewusstseins, Vertrauens, Kommunikation, und der Fähigkeit Kontrolle abzugeben, der Fähigkeit mit Veränderungen klar zu kommen und gesunde Beziehungen aufzubauen.

Die Therapeut*innen berichteten zudem, dass die Individuen keine Pferdeerfahrung benötigen und mehr profitieren können wenn die Interaktion mit Pferden neu ist.

Die Studie von Traeen et al (2012) ergab, dass Pferde ein Modell für Kommunikation und gesunde Bindung darstellen und die Möglichkeit bieten psychologische Skills zu praktizieren. Zudem wird berichtet, dass sich der Kontext der Therapie ändert, die Beziehung zwischen Therapeut*innen und Klient*innen symmetrischer wird, die soziale Verbindung zunimmt und Selbstfürsorge stimuliert wird.

Patienten Wirksamkeitsstudien

In den Lutter Studien (2008, 2011) wurde ein positiver Nutzen in den Bereichen Soziale Verbindung, Bewusstsein von Essstörungs-Faktoren, Kommunikation, Fähigkeit Bedürfnisse durchzusetzen, Akzeptanz und kognitive Flexibilität berichtet.

Zudem schlossen die Autoren, das körperliche Aktivität in der pferdegestützten Psychotherapie mit der Verbesserung der Essstörungssymptomatik einhergeht durch das Profitieren von einem generellen psychischen Wohlbefinden.

Sharpe (2013) berichtet signifikante Verbesserungen wie Achtsamkeit und Momentzentriertheit, Vertrauen, Durchbrüche bzgl. der Essstörung und Fähigkeit Kontrolle abzugeben. Zudem wurden körperliche Verbesserungen diskutiert wie die Fähigkeit körperlich Emotionen zu fühlen die vorher vermieden wurden, mehr positive oder vergessene Gedanken bzgl. des Körpers und körperlicher Kontakt der Sicherheit und Wärme bietet.

Fallstudien

Hier wurde seitens der Therapeut*innen Effekte wie Gruppenkohäsion und Vertrauen zwischen Patient*innen und Pferden berichtet und die Möglichkeit, dass Teilnehmerinnen individuelle einzigartige Lösungen für ihre Probleme finden konnten.

Frauen mit AN berichteten von Gefühlen der Hoffnung, Kraft und Kontrolle über die Essstörung nach der Teilnahme am Pferdegestützten Psychotherapieprogramm (De Zutti, 2013).

Die 16-jährige jugendliche Patientin, die pferdegestützt psychotherapeutisch behandelt wurde berichtete über Gefühle der Zugehörigkeit, emotionale und körperliche Sicherheit, zunehmende Präsenz und einem Ort, an dem sie Emotionen und sich spüren konnte (Lac, 2017)

was kann zusammenfassend festgehalten werden?

Die pferdegestützte Psychotherapie bei Anorexie stellt kein eigenes oder neues störungsspezifisches Verfahren dar, sondern die Implementierung eines erlebnisorientierten und emotionsfokussierten Vorgehens in die Behandlung.

Das Erlebnisorientierte und emotionsfokussierte Vorgehen dient nicht dem direkten Verändern der Symptomatik, sondern richtet sich auf die Entstehungs- und aufrechterhaltenden Bedingungen und dient der Behandlung der Hintergrundproblematik, der Ursache (geringes Selbstwertgefühl, negatives Selbstkonzept) und der Folgen, die sich aus der Kompensation ergeben (Überwertigkeit von Figur und Gewicht und Hungern).

Zentrales Anliegen des additiven Vorgehens ist die Verbesserung des Therapieeffekts bei den therapeutisch oft sehr schwierig zu behandelnden und nicht selten therapierefraktären Anorexien.

Der Einbezug des Pferdes kann erfolgen, um die Therapiemotivation zu verbessern und stagnierende Therapieprozesse wieder in Gang zu bringen und ein besseres nachhaltiges Ergebnis zu erzielen.

Der Einsatz des Pferdes eignet sich bei der Arbeit mit anorektischen Patient*innen besonders, da:

(1) das Pferdeverhaltens natürlich und nicht manipulierbar ist und keine starren perfekt kontrollierbaren Abläufe zulässt

(2) das Pferd Nähe zulässt

(3) das Pferd nicht nach dem Aussehen urteilt und wertfrei annimmt

(4) da die Patient*innen sich von Pferden tragen lassen können

(5) da die additiven Einheiten mit den Pferden abwechslungsreich und freudvoll sind und die Patient*innen auch durch das besondere Setting mit dem Luxustier Pferd ihre häufige „Therapiemüdigkeit“ überwinden können

Die pferdegestützte Behandlungskomponente muss in einen Gesamtbehandlungsplan eingebettet sein, der in ausreichendem Maße das symptomatische Verhalten adressiert und effektiv modifiziert.

Verhaltenstherapeutische Techniken zur Steuerung des dysfunktionalen restriktiven Essverhaltens stellen wichtige Maßnahmen zur Stabilisierung der Patient*innen und Voraussetzung für die Durchführung der pferdegestützten Psychotherapie dar.

Bulik, C. M. et al. (2019). Reconceptualizing anorexia nervosa. Psychiatry and Clinical Neurosciences, 73.

Fennig, M. W., Weber, E., Santos, B., Fitzsimmons-Craft, E. E., Wilfley, D. E. (2022). Animal-assisted therapy in eating disorder treatment: A systematic review. Eating Behaviors. 47. https://doi.org/10.1016/j.eatbeh.2022.101673

Gomolla, A. (2019). Praxisreihe Pferdegestützte Psychotherapie. Band 2: Theorieeinblicke und Praxisberichte aus der pferdegestützten Psychotherapie mit Kindern und Jugendlichen. Norderstedt: Books on Demand.

Karwautz, A., Krauß, E.-K. & de Zwaan, M. (2014). Essstörungen (ICD-10: F50). In S. Kasper & H.-P. Volz (Hrsg.), Psychiatrie und Psychotherapie compact (3. Aufl.). Stuttgart: Thieme.

Otterstedt, C. (2007). Mensch & Tier im Dialog, Kommunikation und artgerechter Umgang mit Heim- und Nutztieren. Kosmos.

Tschacher, W. & Storch, M. (2010). Embodiment und Körperpsychotherapie. In Künzler, Böttcher, Hartmann, Nussbaum (Hrsg.), Körperzentrierte Psychotherapie im Dialog, (S. 161-176). Heidelberg: Springer.

World Health Organization (WHO). (2005). Mental health: Facing the challenges, building solutions: Report form them WHO European ministerial conference. Geneva, Switzerland: Author.