Wirkung Pferdegestützter Therapie bei Kindern mit ADHS?

Schwierigkeiten beim Lernen und in der Schule, Störungen in der Familienbeziehung und zu Gleichaltrigen, Selbstwertprobleme, Einschränkungen in der Fein- und Grobmotorik, sowie zu beobachtendes oppositionelles Trotzverhalten und Störung des Sozialverhaltens sind häufig begründet in den drei Hauptsymptomen der Aufmerksamkeitsdefizit-/ Hyperaktivitätsstörung (ADHS):

Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität, Impulsivität

Aus diese drei Hauptsymptome werden in den Diagnose Manualen DSM 5 (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders 5) der American Psychiatric Association und dem ICD 11 (International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems) der WHO, der unaufmerksame-, der hyperaktive- und der impulsive Typ kombiniert.

Etwa 5 % der Kinder zwischen 3 und 17 Jahren wird, die so definierte chronische und neuronale Entwicklungsstörung ADHS diagnostiziert.

Kann Pferdegestützte Therapie Wirkung auf die beschriebenen Symptome erzielen?

Die Studie „Pferdegestützte Therapie für Kinder mit ADHS – eine Interventionsstudie“, welche durch Prof. Dr. Erwin Breitenbach, dem Heilpädagogisches Forum Würzburg und Dr. Annette Gomolla (GREAT gUG) initiiert wurde beschäftigt sich mit eben jener Frage und stellt folgende Hypothesen zu Prüfung auf:

    1. Pferdegestützte Therapie ist wirksam auf die Hauptsymptomatik bei ADHS
    2. Pferdegestützte Therapie ist wirksamer als eine „unspezifische tiergestützte Begleitung“ (1 zu 1 Kontakt)

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Studie „Pferdegestützte Therapie für Kinder mit ADHS – eine Interventionsstudie“ | Forschungsdesign

47 Kinder mit gesicherter ADHS-Diagnose zwischen 6 und 12 Jahren erhielten jeweils einzeln 13 Therapieeinheiten à 45 Min. Begleitet von 6 Therapeut*innen (Psychologinnen mit Weiterbildung PI) in Einbezug von drei Pferde (zwei Stuten und ein Wallach) sowie vier Ziegen.

Zur Erstellung eines Prä-Post-Designs wurden 1 Woche vor Beginn der Therapie und eine Woche danach ein Leistungstest und drei Fragebögen erhoben:

    1. bp-Test (Leistungstest)                                                                               Aufmerksamkeit
    2. Conner’s Selbst- und Fremdbeurteilung (Bezugsperson und Kind)    Unaufmerksamkeit; Hyperaktivität/ Impulsivität; Aggressivität/ Trotz; Sozialverhalten
    3. DISYPS (nur Bezugsperson)                                                                       Sozialverhalten
    4. JTCI (nur Bezugsperson)                                                                             Kooperativität

·       12 Zeilen mit insegsamt 50 Items (Buchstaben: „b“, „p“, „q“, „d“)

·       innerhalb von vier Minuten jedes „b“ und jedes „p“ durchstreichen

·       keine Hilfestellungen, keine Aufforderungen zum Weiterarbeiten bei Unterbrechung

·       Anzahl richtig durchgestrichener Buchstaben ermittelt die Arbeitsgeschwindigkeit

Ergebnisse einer quasie experimentellen Studie zur Wirkung Pferdegestützter Therapie auf die Symptomatik von ADHS

Es ist nicht immer der Fall, dass erhobene Daten direkt im Anschluss durch die Forschenden in ihrer Gänze ausgewertet und wissenschaftliche Erkenntnisse über alle Daten veröffentlicht werden.

So wurde auch bei dieser Studie zunächst ein Teil der Daten ausgewertet und 2020 in einer ersten wissenschaftlichen Arbeit veröffentlicht (https://reinhardt-journals.de/index.php/mup/article/view/153180 ).

In diesem Beitrag werden wir uns die zweite Auswertung der Studiendaten ansehen. Diese wissenschaftliche Arbeit stellte folgende Hypothesen zu Prüfung auf:

    1. Pferdegestützte Therapie ist wirksam auf die Hauptsymptomatik bei ADHS
    2. Pferdegestützte Therapie ist wirksamer als eine „unspezifische tiergestützte Begleitung“ (1 zu 1 Kontakt)

Zur Prüfung wurden die, mit dem Conners Fragebogen und des bp Test, erhobenen Daten der Experimentalgruppe Reittherapie, der Wartelistenkontrollgruppe, sowie der Kontrollgruppe mit Ziegen ausgewertet und verglichen.

Die Experimentalgruppe (EG2) wie auch die Kontrollgruppe mit der sogenannten „unspezifischen tiergestützten Begleitung“ (Ziegen) bestanden aus 12 Kinder. Aus beiden Gruppen wurde die Hälfte der Teilnehmenden zunächst drei Monate ohne Intervention gelassen und in der Prä- und Post- Erhebung als Wartegruppe (WG) erhoben.

Hinweis:

Die Ausprägung der Symptomatik, wie lange die Diagnosestellung zurück lag und welche Therapien bereits durchgeführt wurden, wurde zu Beginn
nicht berücksichtigt.

Es wurden Kinder mit und ohne Medikation aufgenommen.

  • „Richtige“ zeigen Arbeitsgeschwindigkeit
  • Fehlerprozentwert gibt Aufschluss über die Genauigkeit

In der Prä- Post Auswertung der Gruppen im Einzelnen ergab sich, dass die Experimentalgruppe 2 EG2 (Pferdegestützte Intervention) signifikante Verbesserungen bei Fehler und Fehlerprozent (t-Wert= 2.650. p-Wert= 015*) aufwies. Eine mittlere Effektstärke (d= .77) ließ sich hier errechnen.

Die Kontrollgruppe KG mit unspezifischer tiergestützter Begleitung zeigt ebenfalls signifikante Verbesserungen bei Fehler und Fehlerprozent (t-Wert= 2.690, p-Wert= .012*). Auch hier errechnete sich eine mittlere Effektstärken (d= .85).

Anschließend wurden die Gruppen in den Vergleich gesetzt, um herauszufinden, ob es signifikante Unterschiede zwischen diesen gibt und die Hypothese zu prüfen, ob eine pferdegestützte Intervention wirksamer auf ADHS-Symptomatiken wirkt als eine „unspezifische tiergestützte Begleitung“.

Signifikante Unterschiede zwischen EG2 und KG weder bei den Richtigen noch bei den Fehlern konnten feststellt werden.

Die Conner’s Fragebögen, die als Selbstbeurteilung durch die Teilnehmenden alleine beantwortet wurden, ergaben keine signifikanten Änderungen. Weder bei der Unaufmerksamkeit noch bei der Hyperaktivität/ Impulsivität.

Anders als bei den Selbstbeurteilungen konnten in den Fremdbeurteilungsbögen signifikante Änderungen festgestellt werden.

In der Experimentalgruppe 2 verbesserte sich die Unaufmerksamkeit laut des Fremdbeurteilungsbogen signifikant (t/z-Wert= 2.077, p-Wert= .031*) und zeigte eine mittlere Effektstärke von d=.60.

Eine signifikant verbesserte Unaufmerksamkeit konnte im Fremdbeurteilungsbogen der Kontrollgruppe ausgewertet (t/z-Wert= 3.89, p-Wert= .001*) und eine sehr hohe Effektstärke (d= 1.12) errechnet werden.

Im Vergleich der Experimentalgruppe 2 mit der Wartegruppe und im Vergleich der Kontrollgruppe mit der Wartegruppe ist die Wartegruppe ohne pferdegestützte Therapie und ohne unspezifische tiergestützte Begleitung schlechter in der Verbesserung der Symptomatik „Unaufmerksamkeit“ (EG2 vs. WG: p=0.053; KG vs. WG: p= .003).

Auch wenn im Vergleich WG vs. EG2 der p-Wert nicht signifikant ist, sondern nur einen Trend anzeigt.

Bei den Auswertungen von „Hyperaktivität/ Impulsivität“ des Fremdbeurteilungsbögen konnten keine signifikanten Unterschiede gefunden werden. Auch die Gruppenvergleiche EG2 vs. WG, EG2 vs. KG und KG vs. WG blieben ohne signifikante Ergebnisse.

  1. Auf Grundlage der ausgewerteten Daten dieser Studie lassen sich die zuvor aufgestellten Hypothesen wie folgt an- oder ablehnen:

    1. Pferdegestützte Therapie ist wirksam auf die Hauptsymptomatik bei ADHS
    2. Pferdegestützte Therapie ist wirksamer als eine „unspezifische tiergestützte Begleitung“ (1 zu 1 Kontakt)

Einschränkung:

Die Schwere der Symptomatik war zum Start der Intervention bei vielen Kindern klinisch gesehen nicht besonders stark
ausgeprägt.

Besonders starke Effekte konnten nicht erwartet werden.